Der „Stadt Bestes suchen“ – wie geht das überhaupt?

Oftmals sind wir Christen ganz schnell mit unserem „Angebot“ zur Stelle, ohne die konkrete „Nachfrage“ zu kennen, geschweige denn die Menschen, denen wir dienen wollen. Jeder vernünftige Unternehmensgründer analysiert aber anfangs seinen Markt und das subjektive Mangelempfinden der Leute. Wenn wir einer Stadt dienen wollen, sollten auch wir zuerst nach den Bedürfnissen vor Ort fragen. Ein deutscher Missionar auf den Philippinen lebte mir das eindrücklich vor.

Was brauchen die Menschen in einem Slum von Manila wirklich?

Vor ca. zehn Jahren wurde ich von diesem Missionar zu einen Seminar auf die Philippinen eingeladen, um Pastoren zu unterrichten. Als ich dort ankam, war ich erst einmal geschockt. Der Missionar lebte mit seiner philippinischen Frau und Tochter bereits seit sieben Jahren im Slum in einer 30-Quadratmeter-Wellblechhütte in ärmlichsten Verhältnissen.

Eigentlich wollte er nur das Evangelium bringen

Als er anfangs in den Slum gezogen war, dachte er, er könne einfach so mit Worten die gute Nachricht vermitteln. Bald aber dämmerte ihm, dass er damit auf dem Holzweg war. Vom Lebenskampf dieser Leute hatte er keinen blassen Schimmer. Er musste erst einmal selbst lernen, wie hart das Leben in einem Slum war und wie man dort überlebte. So hörte er in der ersten Zeit einfach nur zu.

Dabei erfuhr er, was die Menschen wirklich umtrieb und mit welchen Sorgen, Ängsten und Alltagsproblemen sie sich tagein tagaus herumschlagen mussten: Wo kriege ich sauberes Wasser her? Wie kann Hygiene im Slum aussehen? Es ging um die unbezahlbaren Arztkosten für das kranke Kind, um die hohe Kindersterblichkeit dort im Allgemeinen oder um Alkoholsucht.

Der Missionar musste ihnen erst einmal helfen, ihre Probleme zu lösen

Es war keine einfache Zeit. Auch das Kind des Missionars wurde sterbenskrank. Ungefähr nach zwei Jahren begannen die Leute zu fragen, warum sich diese Familie den Slum antat, obwohl sie auch hätte woanders leben können? Nach und nach wuchsen persönliche Beziehungen und ein echtes Verständnis zwischen dem Missionar und seinen Slum-Bewohnern. Nun war es Zeit für den nächsten Schritt: Er brauchte Lösungen für ihre Alltagssorgen.

Als Hilfe zur Selbsthilfe demonstrierte er, wie man auf kleinstem Raum Gemüse in Autoreifen anbauen kann. Um dem Müll Herr zu werden, schlug er ihnen vor, den Abfall zu trennen. Als letzteres auf taube Ohren stieß, ging er noch einen Schritt weiter: „Dann kaufe ich ihn euch eben ab!“ Dies ließen sich die Frauen der Gemeinschaft kein zweites Mal sagen. Weil sie für die Versorgung ihrer Familien zuständig waren, sahen sie darin ein willkommenes Zubrot.

Aus Müll Geld machen – Verantwortung durch Eigentum

Unser Missionar kaufte den Müll nicht nur ab, sondern auch mit Gewinn weiter. Dieses Geschäftsmodell funktionierte so gut, dass er mehrere Männer anstellen konnte. Sie arbeiten bis heute dort. Schließlich gründete er eine Genossenschaft, die aus Müll Recyclingprodukte herstellt. Es gelang ihm, 70 Frauen zu beschäftigen, um ihre Familien zu versorgen.

Bald stand er vor dem nächsten Problem – der Rechtsunsicherheit. Da das Slum-Gelände der Stadt gehörte, konnte sich diese jederzeit dazu entschließen, die Hütten dem Erdboden gleich zu machen. Unser Missionar sorgte dafür, dass sich die Familien für 20 USD ihren Grund und Boden kaufen konnten. Von den 700 Familien erwarben immerhin 500 ihre wenigen Quadratmeter. Weil das Land nun ihnen gehörte, entwickelten sie ein ganz neues Verantwortungsgefühl.

 

Gott stellte sich dazu 

Zum einen wurde das kleine Kind des Missionars bald wieder gesund. Zum anderen kamen in diesen Jahren viele Menschen zum Glauben. Sie konnten in seinem Engagement Jesus erkennen. Der Missionar gründete insgesamt zwölf Hauskirchen!

Als ich diese beeindruckende Geschichte hörte, fragte ich mich, was ich den Pastoren dieser Stadt überhaupt zu sagen hatte. Verstand ich doch, dass ich aus einer völlig anderen Lebenswirklichkeit kam. Ich unterrichtete sie zwar noch, war mir aber gleichzeitig bewusst: Die wohl wichtigere Lektion hatte ich in dieser Zeit auf den Philippinen gelernt.

Auch Jesus kannte die Menschen und ihre tiefste Not

Jesus konnte deshalb so lebensverändernd zu den Herzen der Leute vordringen und tiefgreifende Wahrheiten vermitteln, weil er sie kannte: Die Aussätzigen, Fischer, Mütter, Sünder, Söldner und auch die religiösen Führer, denen er widerstand. Schließlich hatte er 30 Jahre mit ihnen gelebt und gearbeitet. Erst danach fing er an, das Evangelium zu verkündigen. Er sprach Themen an, die den Leuten unter den Nägeln brannten.

Die Lösungen zu den Menschen bringen

Wenn ich berate oder predige, versuche ich immer vor Ort zu sein. So bekomme ich ein besseres Gefühl für das Lebensumfeld der Menschen. Auch bei den Stadtreformern ist es mein Grundanliegen, nie von oben herab zu handeln. Es geht nicht darum, eine gute Idee zu haben und alles andere niederzuwalzen.

Vielmehr wollen wir den Stadtreformern vor Ort helfen, Licht in ihr persönliches Umfeld zu tragen. Sie erleben am eigenen Leib, wie sich Mobbing oder Leistungsdruck anfühlt. Und kennen die Nöte der Menschen um sich herum. Somit sind sie prädestiniert, mit Hilfe des Heiligen Geistes auch die Lösung in diese Lebensumstände zu bringen.

Dein Michael Winkler

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Showing 2 comments
  • Axel Führinger

    WOOOW! Was für eine ermutigende Botschaft! Gelebtes Evangelium.
    Danke für die gute Inspiration.

  • Werner Seidel

    Das ist es | das Evangelium direkt ins Leben der Menschen und nicht an Ihnen vorbei | oder auch: relevant für das Leben der Menschen | lasst uns dran bleiben

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